5. Alte Kirche / Alter Friedhof / „Wurschjass“

 

Kirche in Stockheim

15)„Zum ewigen Andenken sei hier notiert, daß 1686 am 26. August unsere Pfarrkirche vom Blitz getroffen wurde; der Thurm ißt ganz, zugleich mit den Glocken, total verbrannt, wie auch der größte Theil des Pfarrhauses. Aber im Jahre 1689 den 16. Oktober ißt durch die Franzosen das Dorf in Brand gesetzt worden, das Pfarrhaus wie auch Stall und Scheune. Alles ist verbrannt. Auf wessen Kosten es wieder aufgebaut werden soll, weiß unser Herrgott“.
Dies notierte Pfarrer Mathias Moitzheim im Taufbuche in lateinischer Schrift.

Alter Friedhof

Der Pfarrpatron ist der heilige Andreas

16) Die Alte Kirche zu Stockheim (von Heinrich Richartz – Architekt)Bereits im Sommer 1922, als ich nach Feierabend von meiner praktischen Arbeitszeit auf einem Fahrrad und mit dem Inventar der Kunstdenkmäler des Kreises Düren (1910) durch die Gegend fuhr, lernte ich die malerische alte Dorfkirche von Stockheim mit ihrer anheimelnden Atmosphäre durch ihre barocke, ländliche rotgrundig bemalte, teils vergoldete innere Ausstattung kennen, ohne zu ahnen, dass ich mich 30 Jahre später sehr intensiv mit ihr zu befassen hatte.
Rechtwinkelig zu dieser alten Kirche wurde ein Neubau aus rotem Sandstein für die inzwischen größer gewordene Gemeinde errichtet. Der erste Spatenstich der neuen Kirche war im April 1935. Die alte Kirche war seitdem entweiht und außer Gebrauch.
Dann kam die verheerende Zerstörung am 30. November 1944, die insbesondere das alte Bauwerk unvorstellbar mitnahm.
1952 wurde mir die Aufgabe zuteil, die schlimme Ruine von Schiff, Seitenschiff und Chor aufzuräumen, zu entschutten, instand zu setzen und zu einem Pfarr- und Jugendheim verwendbar zu machen.
Die alte Stockheimer Dorfkirche ist baugeschichtlich höchst interessant und in gewisser Weise mit ihrer fast tausendjährigen Geschichte einzigartig für das Dürener Land.

Die Alte Kirche von Stockheim

Schon im 9. Jahrhundert entstand eine Saalkirche aus Holz, die einem Brand zum Opfer fiel.
Um 980 baute man genau in die Flucht der alten Holzkirche, die neue Steinkirche aus Bruchstein, auch eine Saalkirche im ottonischen Stil. Es wurden viele römische Dachziegel, die man wohl in der Nähe fand, mit vermauert. Am Eingang benutzte man sogar Sintersteine, die von einer römischen Wasserleitung stammen.
Es war ein niedriges Gebäude mit flacher Decke und flach geneigtem Satteldach.
Das Kirchenschiff hatte eine Breite von 6 m, eine Tiefe von 10 m und eine Raumhöhe von 4 m und einem fast quadratischen, gerade geschlossenen Chor, innen von etwa 3,80m Breite und gut 4 m Tiefe. Licht gaben rundbogige Fensterchen, bei einem Achsabstand von etwa 3,80 m. Der Eingang war auch rundbogig und lag an der Südseite, westwärts im Schiff.
Die Entstehung der Kirche um 980 ist durch Holzbruchstücke, die man an einem der Fenster fand, bewiesen.
17) Anlässlich der jahrringanalytischen Untersuchung des Karlsthrones in Aachen, ermöglichte Dombaumeister Dr. Felix Kreusch auch Studien an Resten eines eichenen Bogenfensters der Stockheimer Alten Kirche, die beim Generalvikariat in Aachen sichergestellt sind. Es handelt sich um die Hälfte des oberen Bogenstückes und Bruchstücke der senkrechten Mittelsprosse und des senkrechten Frieses. Es ist eine gebeilte Zimmermannsarbeit, in der Bogenrundung und im Passitz der Dübelung genau, sonst aber derb und ungefügig. Von der hohen Kunstfertigkeit der römischen Schreiner ist nichts mehr zu spüren, die Meisterschaft der spätmittelalterlichen Handwerker noch nicht zu ahnen. An manchen Stellen sieht man die Spuren des „Dächsels“ , des Querbeils, dem wichtigsten Zimmererhandwerks aus der Bronzezeit, an. Die Hirnkanten der Bauglieder, die ja ohnehin im Mauerwerk der Fensterlaibung verschwanden, wurden mit kräftigen Hieben abgebeilt, alles ohne sonderlich auf den rechten Winkel zu achten. Die Dicke der Rahmenteile schwankt zwischen 42 und 52 mm. Die Breite des zum Kircheninneren zeigenden Falzes zwischen 15 und 21 mm. Die Dübellöscher sind nicht rechtwinkelig gebohrt, sondern offenbar in Einbaulage vom Kircheninneren aus, schräg nach oben. Handwerklich schlecht gelöst ist auch der Übergang des Falzes vom senkrechten Fries in das Bogenstück. Hier konnte die bei der Verglasung störende Kante nur vermieden werden, wenn die Falztiefe mit der Oberblattung abgestimmt worden wäre. So weisen viele Einzelheiten, besonders aber die Oberblattung selbst mit ihren überstehenden Haken, auf eine frühe Epoche hin, in der die Werkstattregeln der Zunftzeit noch nicht ersonnen waren.Die chronologische Analyse bestätigt diesen Befund. Die Jahresringkurven zeigen, dass die letzten Ringe der beiden verwendeten Eichen im 10. Jahrhundert gewachsen sind. Der äußerste am Objekt noch messbare Ring stammt aus dem Jahre 953.
Da aber eine unbekannte Zahl von Jahresringen dem „Dächsel“ zum Opfer fiel, müssen mindestens 25 fehlende Splintjahre (statistisches Mittel bei vergleichbaren Eichen) extrapoliert werden, um das Fällungsjahr zu ermitteln.
Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit lässt sich also sagen, dass die beiden Eichen um 980 gefällt wurden. Damit ergibt sich die Möglichkeit, diese Bauphase der Stockheimer Kirche noch dem ausgehenden 10. Jahrhundert zuzuschreiben.Dass unsere Datierung um „980“ richtig ist, darauf deutet schließlich – außer der engen Zusammengehörigkeit der drei Hölzer – auch das hohe Lebensalter des Baumes, aus dem das 21 cm breite Bogenstück gezimmert wurde: es enthielt nicht weniger als 216 wohlausgebildeter Jahresringe in gleichmäßigem Wuchs! Nach dem Verlauf der Markstrahlen und dem Trend der Jahresringe zu urteilen, fehlen an der Kernseite 50 bis 55 Ringe zum Mark. Dieser Baum ist also um 685 nach Christus „geboren“ und rund 295 Jahre alt geworden.
Dass er wesentlich später als 980 gefällt worden ist, ist wenig wahrscheinlich.18) Ein Umbau der Kirche im romanischen Stil erfolgte im 12. Jahrhundert. Sie wurde im Schiff um etwa 2 Meter aufgestockt, ebenfalls mit flacher Decke und mit flach geneigtem Satteldach. Eine neue Reihe rundbogiger Fensterchen, in anderen Achsen und anderem Achsabstand von 2,25 m – 2,30 m, kam dazu. Wahrscheinlich ist auch eine Aufstockung des Chores, der nun eine halbkreisförmige Apside von 3,13 m Durchmesser erhielt, die vermutlich mit einer Halbkugel gedeckt war. Dazu kam südlich ein Seitenschiff mit Pultdach, innen 3,40 m breit, knapp 10 m tief, nachdem die Wand des Kirchenschiffs durch zwei rundbogige Öffnungen von je 2,80 m Breite mit rechteckigen Mittelpfeilern durchbrochen wurde. Ein neuer Eingang wurde dabei nordwärts mit geradem Sturz geschaffen, der heute noch sichtbar ist. Gleichzeitig wurde der alte Eingang vermauert. Auch bei dieser Vergrößerung des Bauwerks wurde, wie auch später, einheimisches Bruchsteinmauerwerk verwendet.Dann erfolgte in spätgotischer Zeit, im Jahre 1523 eine wesentliche Veränderung und weitere Vergrößerung des Bauwerks. Ein mächtiger Westturm von drei Geschossen, mit Holzdecken, in Bruchsteinmauerwerk, wie die Kirche, gebaut, mit einer Mauerstärke von 1,40 m, mit einem fast quadratischen Innenraum von etwa 4,30m X 4,30m, einem Hauptportal westseits und einer hohen spitzbogigen Öffnung ostseits zum Schiff wurde errichtet. Die zur Kirche führende Tür trägt die Jahreszahl 1523. Sein drittes Geschoss als Glockenstube bekam nach allen vier Seiten gekuppelte Schallfenster mit Dreipässen aus rotem Sandstein und im Übrigen eine Gliederung der Geschosse durch Gesimse aus gleichem Material.
Im Mittelgeschoss des Turmes befand sich der seit 1854 etwas veränderte Doral mit der damals angeschafften Orgel.
Der 15 ½ m hohe Turm bekam einen spitzen, aus Eichenholz konstruierten, mit Schiefer gedeckten 25 m hohen Helm. Der über 40 m emporragende Turm war wohl einer der höchsten im Dürener Land.
Die Fensterchen beider romanischer Epochen wurden im Schiff vermauert, stattdessen ein spitzbogiges, gotisches Fenster nordseits eingebaut.
Der Chorraum wurde nach dem Abbruch des romanischen Chors in Schiffsbreite neu aufgebaut und mit einem 3/8 Schluss mit Strebepfeilern, ostseits mit Maßwerkfenstern geschlossen.
Eine Sakristei, innen 2,32m x 3,94 m wurde nordseits mit Türzugang zum Chor angesetzt. Sie ist heute noch vorhanden.
Zudem wurden alle Raumteile, mit Ausnahme des Turms, also Schiff, Seitenschiff, Chor und Sakristei mit einem Kreuzrippengewölbe, meist auf zylindrischen Diensten, versehen und dabei zur Aufnahme des Gewölbeschubes abgetreppte Strebepfeiler aufgezogen und schließlich das ganze unter einem, teils abgeschleppten Dach über dem Seitenschiff und am Chor, polygonal abgegrateten Dach gebracht.
Das Wappen derer von Elmpt, der weltlichen Patrone Stockheims, befand sich im Schlussstein des Mittelgewölbes.
Der neue Chor erhielt eine neue „gemauerte Altarmensa“ eine Sakramentennische nordseits, von der Fragmente in hellem Sandstein, ein Löwenpaar und etwas Maßwerk erhalten sind, eine Nische für Feuerkessel mit Rauchabzug im südlichen Chorpolygon und eine Ministrantennische südseits. Eine weitere kleine Ministrantennische war am Seitenschiff südseits ausgespart, was darauf schließen lässt, dass dort auch ein Altar gestanden hat.
Im erdgeschossigen Turmraum wurde südseits eine flache bogige Nische im Mauerwerk ausgebildet, vielleicht für ein Taufbecken.

19) Die zwei eisernen Anker, die die Kirche halten, tragen die Jahreszahl 1752.

Laut Gutachten von einem Architekten aus dem Jahre 1888, ist die Langmauer des Kirchenschiffs fünfzehn bis zwanzig Zentimeter nach außen gewichen in Folge des Gewölbe- und Dachdruckes, „besonders wegen des Umstands, dass die Bindebalken fehlen.“ Dem hat man früher dadurch zu begegnen gesucht, dass man Zangen aus 5cm starken Bohlen an jedem Dachgebinde aufschraubte.

Von 1751 bis 1774 ist das gesamte Kirchenmobiliar neu angeschafft worden. Am 14. Juni 1751 schlossen der damalige Pfarrer Eberhard Schmitz und Hans Georg Herolt aus Düren einen Vertrag betreffend dreier Altäre für 203 Reichsthaler. Der Predigtstuhl ist ebenfalls von Herrn Herolt im Jahre 1552 für 76 Reichsthaler 40 Albus angefertigt worden, ebenso die Chorstühle, Kommunionbank und der Himmel für 72 Reichsthaler.
Den Hochaltar ließ Pfarrer Schmitz 1764 mit Tabernakel und darauf stehendem St. Andreas für 118 Reichsthaler 73 Albus 8 Stüber, die zwei Seitenaltäre mit Kanzel und Kommunionbank, Beichtstuhl und 2 Schränken in der Sakristei für 105 Reichsthaler 73 Albus 8 Stüber illuminieren und übersilbern und übergolden, alles mit feinem Gold und Silber. 1754 wurde für 4 Reichsthaler ein neuer kupferner „Tauf“ gekauft, 1783 der kupferne, jetzt noch vorhandene, Deckel dazu. (Inzwischen ist ein Taufstein aus Marmor angeschafft worden.) 1774 wurde ein neuer Beichtstuhl mit einem kleinen Credenztischchen für 61 Reichsthaler gemacht.

In dem Vertrag von 1751 heißt es: Auf allen drei Altären sollen die herrschaftlichen Wappen ausgeschnitzt werden, falls darüber der herrschaftliche Befehl erfolgen würde.
Damals war Burgau und somit auch Stockheim Eigentum der Grafen von Wolff Metternich, als die Erben der Freifrau Maria Katharina von Elmpt geb. Wolff Metternich.
Die herrschaftlichen Wappen sind leider nicht auf die Altäre gekommen, so dass oben genannter Schlussstein allein auf die früheren Zeiten hinweist. Denn um 1882 wurde das auch in einem der Chorfenster befindliche Wappen gestohlen. Zum Glück ließen die verscheuchten Diebe die eine Hälfte, die sich im Kirchenarchiv befindet, liegen. Es ist noch zu erkennen, dass es das vereinte Wappen des Barons von Elmpt und seiner Gattin ist, der der Erbauers des Kirchenschiffs war.

Liber Valoris

Der sogenannte „Liber Valoris“, wörtlich übersetzt : „Werte-Buch der Kirchen der Diözese Köln“ ist ein Steuerverzeichnis der Kölner Erzbischöfe. Es enthält Angaben über die Einkünfte sämtlicher kirchlicher Institutionen im Erzbistum Köln und diente dazu, die Abgaben der kirchlichen Einrichtungen zu taxieren. Der Liber Valoris liegt in mehreren Fassungen vor, die im 13. bis 16. Jahrhundert Verwendung fanden. Die älteste noch nachvollziehbare Version, die im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen liegt, wird dem Jahre 1308 zugeordnet – sie existiert allerdings nur noch als Abschrift aus dem Jahre 1400.
Der Liber Valoris diente der Ermittlung der „Decimae“, eines Anteils also, der als sogenanntes“Subsidium Charitativum“ dem Erzbischof von Köln zustand. Die im Liber Valoris festgelegten Sätze waren mindestens bis zum Jahre 1548 Berechnungsgrundlage für die Festlegung von Abgaben, die vergleichbar sind mit der heutigen Kirchensteuer.

Als wohl ältestes Verzeichnis aller Pfarrkirchen im Bistum Köln bedeutet der Liber Valoris für etliche Ortschaften in der Region zugleich den ältesten beurkundeten Beleg. Das Verzeichnis stellt somit einen eminent wichtigen Nachweis dar, für die Existenz zahlreicher Gemeinden im Übergang vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit.
Anton J. Binterim und Joseph H. Mooren gehen sogar soweit ausdrücklich zu vermerken, dass fast alle im Liber Valoris genannten Pfarreien wahrscheinlich schon zur Zeit Karls des Großen (768 – 814) bestanden haben.
Allerdings wird diese Behauptung von Friedrich Willhelm Oediger erheblich in Zweifel gezogen.

Die Pfarre, bzw. der Pfarrer, von Stockheim wurde vermutlich das erste Mal urkundlich erwähnt, als der damalige Herr von Burgau, Ritter Amilius de Owe, 1255 sein Testament im Kloster Burtscheid machte.
Als Zeugen waren zugegen: der Prior zu Burtscheid, Gerard, die Ritter Engebrand von Rurcke und Heinrich von der Forst. Außerdem der Pfarrer von Stockheim und der Enkel des Testators.
Am Sonntage Quasi modo des Jahres 1255. (Urk. 50.)

Die beglaubigte Urkunde liegt der STIG vor.